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400
Menschen für Kinder – Radfahren für den guten Zweck |

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2. September 2006, Ausnahmezustand in Braunfels.
Aus allen Himmelsrichtungen strömen sie in die Stadt: Autos mit
Fahrrädern beladen oder auch Radfahrer, die aus der näheren Umgebung
schnell mal rübergeradelt kommen. Es ist die zehnte Radtour des Vereins
"Menschen für Kinder", der es sich zur Aufgabe gemacht hat,
Geld zu sammeln, um damit Projekte für kranke Kinder zu unterstützen.
Der Parkplatz außerhalb von Braunfels füllt sich
schnell, überall werden Fahrräder ausgeladen und zusammengeschraubt,
noch schnell etwas Luft auf die Reifen und ab geht es zum Start. Der ist
am Marktplatz mitten in der Stadt und auch noch direkt oben auf dem
Schlossberg.
Vor gut einer Stunde sind wir in Frankfurt
aufgebrochen und haben noch Daniel und unsere Räder in Ober-Mörlen
eingeladen. Jetzt strampeln wir den Schlossberg hoch und ahnen noch
nicht, was uns da oben erwartet. Trotz der frühen Stunde ist der
Marktplatz gefüllt mit Menschen in bunten Trikots mit ihren
Rennrädern, Mountainbikes und Tourenrädern. |

Start
in Braunfels: Jörg, Kathrin und Daniel |
Mit
dem Segen geht es los...
Man hat mich gebeten
es kurz zu machen, denn Radfahrer vor dem Start sind nervös wie die
Rennpferde und scharren mit den Hufen" so beginnt der Tour-Pfarrer
seine dann auch kurz und dem Helferteam für deren unermüdliches
Engagement und bittet um den Segen von oben für gutes Wetter und
unfallfreie Fahrt, damit alle Teilnehmer wohlbehalten einige Stunden
später wieder in Braunfels ankommen. Mit den Worten "fahrt nicht
wüst, sondern wie Wüst" schließt er.
Gutes Stichwort: wo ist eigentlich Wüst? Marcel
Wüst, der ehemalige Radprofi aus Köln, ist der Kapitän des
Feldes und noch unterwegs, er wurde durch eine Panne aufgehalten.
Der schrille Pfiff aus der Trillerpfeife von Alois Stöcklin (er ist
Weltrekordler im Dauerradfahren und hat um die 800 Kilometer am Stück
zurückgelegt) ruft die Teilnehmer pünktlich um 8 Uhr 15 zu ihren
Drahteseln. Langsam setzt sich der Tross in Bewegung, um nach ca. 11
Stunden und 109 Kilometern wieder hier nach Braunfels zurück zu rollen.

Parkstraße
in Bad Nauheim

Stopp
auf dem Johannisberg

Pause
in Ober-Mörlen
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Viele Prominente sind
dabei ...
Viele prominente aktive und Ex-Sportler sind
dabei, um hier als Zugpferd für den guten Zweck zu radeln. Zum
imposanten Feld wird es aber erst durch die ca. 400 Menschen, die diese
Aktion nicht nur durch ihr Sattelgeld von je 50 Euro unterstützen. An
den 9 Haltestellen unterwegs bilden sie eine unübersehbare
Menschentraube und sorgen so für die notwendige Aufmerksamkeit bei den
Sponsoren, die nicht nur mit ihren Schecks, sondern auch durch
Sachspenden, den guten Zweck unterstützen.
Das Fahrerfeld ist unterwegs und nichts kann es
aufhalten. Als geschlossener Verband rollen wir unserem ersten Stopp in
Oberbiel entgegen. An Ampeln und Kreuzungen sorgen Polizei und
Streckendienst für freie Fahrt und sperren die komplette Straßenbreite
für uns Radsportler. Ein sicherlich bekanntes Gefühl für die
Profiradler im Feld, doch für uns Freizeitsportler völlig ungewohnt,
anfänglich zucken die Finger noch zu den Bremsen, wenn die Ampeln auf
rot umspringen.
Ob es Herrn Shimano
wirklich gibt ? ...
Schon nach gut 3 Kilometern dann der Schreck in
der Morgenstunde, ein lautes Knallen von meinem Hinterrad. Die Luft ist
noch drin, aber eine der wenigen Speichen hat es rausgehauen. Ich fluche
innerlich heftig und beschimpfe Herrn Shimano (wenn es ihn wirklich
gibt) und all seine Ingenieure, die auf diese dumme Idee kamen, ein
Laufrad mit so wenigen Speichen zu konstruieren. Das kann doch nicht
sein, da hält das Rad einige tausend Kilometer und ausgerechnet jetzt,
hier und heute verreckt diese dämliche Speiche.
Aufgeben, Schluss und vorbei bevor es eigentlich
richtig losgegangen ist, so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Kathrin
und Daniel stehen neben mir und schauen sich das Elend an. Ich schraube
die gerissene Speiche aus dem Rad und versuche es zu drehen, ein übler
Achter macht das Weiterfahren dann zum heftigen Geeiere. Per Handy rufe
ich die Familie an und bestelle meinen Bruder zum ersten Halt nach
Oberbiel.
In der Erwartung des Ersatzhinterrades und mit
einigem Frust versuche ich wieder an das Feld heran zu kommen. Kurz vor Oberbiel
habe ich es endlich geschafft und bin sozusagen wieder "im
Rennen". Wir werden auf das Firmengelände des 1. Sponsors geleitet
und ich warte am Eingangstor auf meinen persönlichen Ersatzteilwagen.
Während es drinnen die erste Verpflegung für die
Teilnehmer gibt und die ersten Schecks für die gute Sache überreicht
werden, stehe ich am Tor und starre die Hauptstraße entlang in jedes
vorbeifahrende Auto. Da kommt er. Ich mache einen innerlichen
Freudensprung - es kann weitergehen. Wir tauschen die Hinterräder aus
und sind pünktlich zur Weiterfahrt fertig. Während Alois mit seinem
dritten Pfiff aus der Trillerpfeife die Radler wieder auf die Straße
treibt, wasche ich mir noch die Kettenschmiere von den Fingern und kann
mich dann noch vor den Begleitfahrzeugen am Ende des Feldes einreihen.
Nicht nur ich habe meine Panne behoben, auch
Marcel Wüst hat es geschafft und ist hier schon beim ersten Stopp mit
den andern Promis vorne im Rampenlicht und schüttelt unzählige Hände.
Eine Prozedur, die an jedem Etappenort immer gleich abläuft. ‚Shake
hands’ mit den lokalen Honoratioren und immer ein Lächeln für die
vielen Fotografen, Promischicksal eben. Aber immer geduldig und
freundlich, hier und da ein Schwätzchen und ein paar Autogramme, alles
kein Problem. Auch diejenigen Promis, deren Sportgerät nicht das
Rennrad ist, sind immer wieder in der ersten Reihe für den guten Zweck.
Mit Zwischenstopps in Reiskirchen und Rechtenbach
erreichen wir Niederkleen zur Mittagspause. Hier gibt es eine
warme Mahlzeit und wieder die üblichen Programmpunkte, musikalisches
Begleitprogramm mit Scheckübergabe und unzählige Fotos und Autogramme.
Gut dass wir Normalos so einen Stress nicht haben, man kann gemütlich
essen, die Beine in die Sonne strecken und sich auf dem Streckenplan
schon mal die nächsten Stationen anschauen. Gut ein Drittel der Strecke
haben wir erst geschafft, aber doch schon einige hundert Kalorien
verbrannt und auch wieder nachgefüllt. Essen und trinken ist wichtig,
denn ab jetzt gibt es längere Teilstücke zu radeln und nur noch 4
Stopps.
Die Trillerpfeife ruft die Teilnehmer wieder auf
die Räder und es geht über die B3 nach Butzbach weiter.
Schwerstarbeit für die Streckensicherung der Polizei und der
Motorrad-Staffel. Immer wieder starren die wartenden Autofahrer an den
gesperrten Kreuzungen auf das nicht enden wollende Fahrerfeld. |

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"Wir haben euch
schon aus Butzbach kommen sehen" .
sagen dann auch die Vereinskollegen, die in Nieder-Weisel
mit den Rädern warten, um das Feld durch die Wetterau zu begleiten.
Uli, Max, Lorenz, Werner, Jürgen und Karlheinz strampeln nun mit uns
die B3 entlang.
Auf einem Feldweg kurz vor Nieder-Mörlen dann
passiert es, ich sehe 3 unserer Vereinstrikots am Wegesrand stehen und
ahne schon, dass es einen von uns erwischt hat. Kathrin und Jürgen sind
in einer Kollision die Leidtragenden und haben sich ordentlich die Beine
verschrammt. Die Tourärzte sind schnell zur Stelle und betreuen die
Beiden. Im Ziel gesteht einer der beiden Ärzte uns dann, dass er direkt
hinter dem Sturz war, und dass es ziemlich übel aussah und er mit
richtig viel Arbeit gerechnet hatte.
Es kann aber weitergehen und der nächste Halt am
Aliceplatz in Bad Nauheim wird angesteuert. Ein beeindruckendes Bild,
dieses Riesen-Radlerfeld auf dem Weg die Parkstraße hinauf zum
Johannisberg. Man fühlt sich an die Fernsehübertragungen der
Touretappen erinnert, aber hier sind es mehr als doppelt so viele Radler
und dazu noch alle im gleichen Outfit.
Große Augen dann auch an der Usatalhalle in
Ober-Mörlen, als das Feld die Hasselhecker Straße herunter rollt.
Auch hier wieder der übliche Ablauf. Bürgermeister Steffens dankt den
Organisatoren und übergibt die Spenden.
Beim anschließenden Gruppenfoto mit allen
Teilnehmern beweißt der Tourfotograf seinen sportlichen Ehrgeiz und
kletterte zum Schnappschuß auf einen Tisch. Kurz darauf wieder der
Pfiff zum Aufbruch nach Usingen.
Unsere Vereinskollegen helfen beim Aufräumen an
der Usatalhalle während wir uns wieder auf den Weg machen. Nach fast 70
Kilometern folgt jetzt der anstrengendere Teil der Tour. Der heftige
Gegenwind im Usatal reißt das Feld doch mächtig auseinander.
Viel Geduld ist bei den Autofahrern auf der B275 gefordert.
In Usingen dann das gleiche Bild wie an
allen Haltestellen: Verpflegung für die Radler und Spenden für den
guten Zweck. Vorbei am Hattsteiner Weiher, über Wilhelmsdorf geht es
nach Hundstadt zum letzten Halt. |

Marcel
Wüst - Star zum Anfassen (mit Werner)

Pause
in Ober-Mörlen (Max, Sigbert Steffens - Bürgermeister Ober-Mören und
Marcel Wüst )
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Geschafft
! Braunfels |
Hier erwischt uns dann das schlechte Wetter, ein
kurzer Schauer verwandelt das gleichfarbige Feld in einen bunten Haufen
aus Regenjacken. Doch nur kurz darauf können wir die Regenjacken wieder
einpacken und haben die letzten schweren Berge vor uns. Mit dem Ziel vor
Augen geben wir dann noch mal richtig Gas. Die letzten 15 Kilometer
rollen dann noch richtig gut und wir erreichen das Sportgelände in
Braunfels eine halbe Stunde vor dem Zeitplan.
Überall strahlende Gesichter, kleine Grüppchen
stehen beieinander und tauschen die Eindrücke der letzten Stunden aus.
Mein Tacho zeigt 106 Kilometer und über 900 Höhenmeter, kein
Nachmittagsspaziergang also, und in einer so großen Gruppe bin ich noch
nie gefahren. |
Ein wunderbares
Gemeinschaftserlebnis ...
Nicht nur der gute Zweck, sondern auch das
Miteinander der Profisportler mit den Freizeitradlern haben mich schwer
beeindruckt. Wo sonst ruft ein Kai Hundertmark einem Mountainbiker zu
"fahr mal rechts ran, dein Sattel ist zu niedrig". Stellt ihm
den Sattel richtig ein und zieht fünf Minuten später an uns vorbei und
schiebt mit einer Hand mal schnell einen anderen Radler an. Und als dann
alle rufen "ich auch", dreht er sich um und grinst fröhlich.
Gut lachen haben auch die Veranstalter, die
zehnte Tour ist erfolgreich verlaufen, mit 20.500 Euro an Spenden
unterwegs und noch mal 20.000 Euro Sattelgeld wird ein stattlicher
Betrag für den guten Zweck bereit gestellt.
Meine Bewunderung gilt den Organisatoren und den
vielen Helferinnen und Helfern, die immer und überall für uns
Radfahrer da waren. Applaus für dieses Orga-Team, Danke, das war ein
tolles Erlebnis.
Auch von den Mitradlerinnen und -radlern hören
wir nur Positives. Beim Abschied ist dann auch bei den Meisten die
Anstrengung schon wieder vergessen und wir hören aus allen Ecken "tschüß,
macht´s gut, bis nächstes Jahr".
Wir
sind auch 2007 wieder dabei, bei der Tour "Menschen für
Kinder".  |
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